The Last Duel ist die Art Film, der mich auch beim zweiten Schauen mit leicht widersprüchlichen Gefühlen zurücklässt. Einerseits finde ich darin einiges, das ich interessant finde, und gleichzeitig bleibt es ein Film, der Rape Culture für Leute erklärt, die sich nie damit auseinandersetzen mussten oder wollten. Und das erzählt eigentlich mehr über den Status Quo von Mittelalter in Film und Fernsehen als über den Film selbst.
The Last Duel: A True Story of Fighting in Court
Die Handlung setzt im Frankreich des späten 14. Jahrhunderts ein, wo sich – wie sich das für ein echtes Mittelalter-Drama gehört – zwei Ritter duellieren. Sie kämpfen auf Leben und Tod, weil der eine dieser beiden Ritter, Jacques Le Gris, die Frau des anderen, Jean de Carrouges, vergewaltigt haben soll und das abstreitet. Es steht damit Aussage gegen Aussage und deshalb soll also ein Gottesurteil für Klarheit sorgen. Derjenige von beiden, der das Duell gewinnt, sagt die Wahrheit und bekommt damit auch juristisch recht.
Die Vorlage für die Vorgänge, die der Film hier aufgreift, ist zunächst einmal ein Roman von Eric Jager, der aber wiederum das historisch tatsächlich belegte letzte Duell Frankreichs am 29. Dezember 1386 aufgreift. Ein guter Teil der Akteur*innen hat also reale historische Vorbilder und sowohl Film als auch Buch kokettieren dementsprechend ausgiebig damit, eine „True Story“ zu erzählen. Und tatsächlich greift der Film auch eine ganze Reihe langweiliger, aber historisch typischer Wegpunkte auf, die dann innerhalb der Handlung in das Duell 1386 münden: Adelige, die pleite sind und deshalb auf irgendeinen Feldzug gehen, Keilereien um Land und Rechte, Verhandlungen über den Umfang einer Mitgift, Klagen vor dem König – die Logik dahinter, wie die Handlung so langsam aufgebaut wird, ist tatsächlich ziemlich mittelalterlich. The Last Duel erzählt – entgegen des reißerischen Untertitels der Buchvorlage – schlicht die Geschichte eines Rechtsstreits. Nur statt um Land oder Titel geht es um eine Frau.
Überraschung, Rape Culture existiert!
Das ist eine zynische Art und Weise, diesen Streit zusammenzufassen, aber diese Nuance ist gleichzeitig der Grund, warum ich The Last Duel tatsächlich interessant finde. Denn der Film arbeitet dadurch, dass er hintereinander dieselbe Geschichte jeweils aus den Perspektiven von Jean de Carrouges, Jacques Le Gris und zuletzt Maguerite de Carrouges erzählt, überraschend deutlich heraus, wie es einen Unterschied zwischen Unterdrückung und Machtlosigkeit geben kann. Für die beiden Männer ist Maguerite de Carrouges ein Objekt. Sie ist ein Besitztum des einen Mannes, das der andere gegen dessen Willen anrührt, und dementsprechend ist der Konflikt zwischen den beiden auch ein ziemlich simpler juristischer Konflikt. Der eine hat die Rechte des anderen verletzt und der fordert dafür nun Konsequenzen. Dass es dabei um die Rechte Jean de Carrouges auf seine Ehefrau geht, macht die Sache ein wenig pikanter als ein Streit um irgendein Lehen, aber im Kern geht es genau darum. Für Maguerite de Carrouges dagegen geht es, natürlich, um ihr Leben. Um ihre Würde. Um nichts anderes als Gewalt, die ihr angetan wurde und die sie verzweifelt versucht, zu überleben.
Diese Diskrepanz ist die große Stärke von The Last Duel, weil sie so den nötigen Raum aufmacht, um zugleich deutlich zu machen, dass auch historisch gesehen Unterdrückung nie bedeutet, dass es keinen Widerstand dagegen gibt. Maguerite de Carrouges ist in ihrer eigenen Geschichte eine Nebenfigur. Sie ist nicht Klägerin, sondern Zeugin in der Beweisführung ihres Mannes. Gleichzeitig lehnt sie sich in diesem Rahmen durchaus gegen die Zwänge auf, innerhalb derer sie sich bewegt. Sie erzählt ihrem Mann von der Vergewaltigung und beschuldigt Jacques Le Gris als Täter. Sie hält dem Druck stand, als sich Freundinnen von ihr abkehren, beantwortet im Zeugenstand die immer gleichen übergriffigen Fragen und rechtfertigt sich gebetsmühlenartig angesichts der Unterstellung, zu lügen. Alles, während eigentlich klar ist, dass ihr Mann diesen Fall nicht ihretwegen, sondern seines verletzten Stolzes wegen durchfechtet. Das geht so weit, dass er auf das Duell besteht, obwohl er damit auch das Leben der schwangeren Maguerite mit riskiert – was auch zugleich der Punkt ist, an dem sie tatsächlich die Fassung verliert und ihn offen anfährt, um so, wenn auch vergeblich, ein Stück weit ihren eigenen Willen einzufordern.
Es ließe sich jetzt viel entlang solcher Details in der Handlung rumdiskutieren, das Ergebnis bleibt dasselbe: Es geht um Rape Culture und Patriarchat. Damit ist The Last Duel nicht einmal besonders inspiriert oder klug, denn dafür geht der Film viel zu banal mit der Dynamik um, die er abbildet. „Frauen sind Menschen, keine Objekte“ und „Rape Culture existiert und bedeutet unter anderem, dass oft auch Frauen anderen Frauen in den Rücken fallen“ sind ziemlich banale Aussagen, die vermutlich vor allem dann überraschend sind, wenn man sich noch nie auch nur ansatzweise mit patriarchalen Dynamiken auseinandersetzen musste. Das ist irgendwie schön für die Leute, die das wirklich überrascht, weil es bedeutet, dass sie sich über einige Dinge noch nie Sorgen machen mussten, ändert aber nichts daran, dass für viele andere die Dynamik, die der Film abbildet, nicht überraschend, sondern alltäglich ist.
Eine bemerkenswerte Banalität
Und trotzdem ist es nach den letzten Jahren dessen, was Popkultur uns im Kontext von Mittelaltergroßproduktionen entgegen geworfen hat, fast schon ein bisschen revolutionär, die Vergewaltigung einer Frau in einem mittelalterlich inspirierten Setting als ein großes Unrecht dargestellt zu sehen. Noch dazu ein Unrecht, das Marguerite de Carrouges als Survivor noch lange nicht jeder Agency beraubt. Sie begehrt gegen die Strukturen auf, die im Anschluss drohen, sie ihres eigenen Willens zu berauben. Das erste Mal, als sie ihrem Mann von der Vergewaltigung erzählt, obwohl der Film in Form ihrer Schwiegermutter sehr deutlich macht, dass sie das nicht hätte tun müssen, und das zweite Mal, als sie es ihm zum Vorwurf macht, dass er auf das Duell besteht, weil er sich in seiner Ehre verletzt sieht. Für Jean de Carrouges ist die Vergewaltigung seiner Frau im Kern ein ähnliches Unrecht wie das Stück Land, das Teil ihrer Mitgift hätte sein sollen und um das ihn Pierre d’Alençon und Jacques Le Gris gebracht haben. Marguerite wird von den Männern um sie herum zum Gegenstand gemacht und auch wenn sie dagegen wenig tun kann, so zeichnet der Film doch eine Frau, die sich trotzdem verzweifelt gegen diese Strukturen zu stellen versucht – und das, ohne ernsthaft Unterstützung zu bekommen. Weder von ihrem Mann noch von ihrer Schwiegermutter oder selbst ihrer besten Freundin, die sich gegen sie wendet, weil sie Marguerite nicht glaubt.
Nichts an diesen Nuancen, die The Last Duel aufmacht, ist neu oder besonders. Um zu begreifen, dass Rape Culture existiert, muss man wie gesagt wirklich nicht erst auf einen Film warten, der den Fall einer aufsehenerregenden mittelalterlichen Vergewaltigung aufgreift. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass sich in der fortlaufenden Diskussion über sexualisierte Gewalt und Rape Culture u.a. seit und im Kontext der MeToo-Bewegung so manches Castmitglied des Films nicht gerade positiv hervorgetan hat. (Ein wenig ein doppeltes Lehrstück zum Thema Rape Culture.) Gleichzeitig wirft The Last Duel auf einer Metaebene für mich auch wieder einmal die Frage auf, wie viel sexualisierte Gewalt in fiktionalisierten Mittelalterentwürfen existiert, die „Geschichte“ als vage Projektionsfläche einfach nur nutzt, um zu kaschieren, dass diese Gewalt sehr viel damit zu tun hat, wie „Mittelalter“ imaginiert wird, und weniger etwas damit, was sich hinter „Mittelalter“ als komplexe historische Epoche verbirgt.
Utopie und Dystopie Mittelalter
Das Mittelalter ist in der öffentlichen Imagination immer sowohl Utopie als auch Dystopie. Es ist eine Projektionsfläche für Freiheit und scheinbar einfachere Zeiten, die zugleich auch zur Warnung hochstilisiert werden, in welche Zeiten „wir“ denn zumindest implizit nicht mehr „zurückfallen“ sollen. Wenn etwas umgangssprachlich als „mittelalterlich“ bezeichnet wird, dann ist damit meistens irgendetwas in die Richtung von „rückständig“ gemeint. In der Regel tut das im jeweiligen Kontext dem Mittelalter als Epoche sogar unrecht, aber die Projektionen sind nun einmal da. Das ist ein Problem, weil so der Rückgriff auf die Dystopie Mittelalter verschleiert, dass besagte „Rückständigkeit“ meistens sehr tief in der Gegenwart verwurzelt ist. Das Mittelalter ist historisch gesehen weder irgendeine düstere Dystopie, die durch „Fortschritt“ überwunden wurde, noch irgendeine Utopie, zu der man zurückkehren könnte oder sollte. Es ist eine Epoche wie jede andere: Kompliziert, vielfältig und genau dadurch nicht auf eines dieser Extreme herunter zu brechen.
Genau diese Vielfalt und manchmal auch Widersprüchlichkeit von Geschichte aus wissenschaftlicher Perspektive unterschlägt Popkultur aber in der Regel. Das ist auch nicht per se ein Problem – ein Roman oder Film ist keine wissenschaftliche Monographie und muss noch will das auch leisten – nur wenn wir über sexualisierte Gewalt sprechen und darüber, wie sie in pseudo-mittelalterlichen Settings meistens thematisiert wird, dann sprechen wir über deutlich mehr als nur über eine Fiktionalisierung einer Epoche. Serien wie z.B. Game of Thrones haben in den letzten Jahren immer wieder Gewalt gegen Frauen und insbesondere sexualisierte Gewalt und Femizide auf eine geradezu voyeuristische Art ausgekostet, oft genug ohne auch nur ein einziges Mal zu thematisieren, dass die Figuren diese Gewalt moralisch und juristisch als ein echtes Unrecht begreifen könnten.
Selbst z.B. Vikings, wo zu Beginn der zweiten Staffel Lagertha mit einem Mann verheiratet ist, der sie regelmäßig zu schlagen scheint, thematisiert die Idee, dass innerhalb dieser frühmittelalterlichen Gesellschaft, die es erzählt, andere Figuren diese Gewalt als Unrecht ansehen könnten, nur in Form von Lagerthas Sohn Björn. Der wiederum tritt in dieser Staffel zum ersten Mal als Erwachsener auf und will seine Mutter verteidigen, um seine eigene Männlichkeit zu beweisen. Lagertha dagegen wird ausführlich gequält und auch wenn sie sich von ihrem gewalttätigen Mann schließlich befreit und selbst ein Jarl wird, so trägt das doch nur zu einer Ausnahmeerzählung bei. Lagertha ist die gesamte Serie hindurch eine buchstäblich legendäre Schildmaid. Sie ist der Inbegriff einer Ausnahme jeder Regel. Und auch in Lagerthas Handlung kommt vorher schon eine (in diesem Fall versuchte) Vergewaltigung vor, die dann vor Gericht geht: Als in der ersten Staffel sie ein Mann, der eigentlich mit ihr und Ragnar auf Raubzug losgezogen ist, versucht, sie zu vergewaltigen, tötet sie ihn kurzerhand und bringt den Fall zu Hause so tatsächlich vor Gericht. Aber auch hier macht die Serie nicht einmal die Option auf, dass Lagertha ihren Angreifer tatsächlich anklagen könnte. Genauso wenig, wie irgendeine der anderen Figuren auf den Vorwurf auch nur reagiert. Worum es stattdessen geht, ist der Tod ihres Angreifers und dass Ragnar – wenn auch recht widerwillig – behauptet, ihn getötet zu haben, um seine Frau zu schützen.
Histos und die Grenzen des Vorstellbaren
Gerade vor diesem Hintergrund lässt mich nicht ganz los, wie merkwürdig erfrischend es war, mit The Last Duel einen Film zu sehen, der eine Vergewaltigung nicht bagatellisiert, sondern sich den juristischen und persönlichen Konsequenzen zuwendet und sogar Maguerite als Survivor Handlungsspielräume gibt. Und das, obwohl sie juristisch nicht die Mittel hat, sich selbst zu wehren und sich dafür auf ihren Mann verlassen muss, der sich hier vor allem in seinem ganz persönlichen Stolz verletzt sieht. Damit erzählt er wie gesagt nichts Neues, sondern erklärt mehr oder weniger Rape Culture für Leute, die sich nie damit auseinandersetzen mussten oder wollten. Genauso ist es aber auch wahr, dass diese Art Nuancen sonst selten thematisiert werden, obwohl Mittelalter-Filme, -Serien, -Romane und -Spiele im Schnitt sehr gerne sexualisierte Gewalt thematisieren, um ihre eigene Historizität und Realismus zu erzählen. Dieser Widerspruch ist im Kern bitter und frustrierend, weil er verdeutlicht, wie viel historisierende Medien und ihre Autor*innen noch immer „Geschichte“ und gerade „Mittelalter“ dafür nutzen, um u.a. ihre eigene Misogynie zu kaschieren.
Ein Stück weit ist The Last Duel also nicht einmal besonders raffiniert, sondern wirkt nur so im Vergleich zu dem, was im Genre sonst üblich ist. Das ist irgendwo banal und unterstreicht nur die Machtverhältnisse, die der Film einerseits abbildet und in denen er gleichzeitig auch selbst existiert, ist als Nuance aber trotzdem wichtig. Denn während viele Filme, Serien und mehr, die historische Themen aufgreifen, inzwischen immer stärker entweder in Richtung eines bonbonfarbenen, betont diversen Paralleluniversums à la Bridgerton oder in die Richtung einer überdrehten Rückständigkeitserzählung à la Game of Thrones tendieren, löst weder das eine noch das andere die Probleme von Histos im Allgemeinen.
Wenn ich ausgerechnet den englischen Adel des 19. Jahrhunderts versuche mit einer halbherzigen Erklärung divers waschen zu wollen, dann beweise ich nur, dass ich mir offenbar z.B. nicht-weiße Geschichten in dieser Zeit nicht einmal vorstellen kann. Dasselbe gilt umgekehrt auch für die unsäglichen betont düsteren Blut-Schlamm-Männlichkeit-Entwürfe im Stil von Game of Thrones: Wenn ich mir keine selbstständigen Frauenfiguren in einem Mittelaltersetting vorstellen kann, die irgendetwas erreichen, ohne auf irgendeine dramatische Weise (sexualisierte) Gewalt zu überleben, beweise ich nur, dass ich wenig bis nicht über diese Frauenfiguren nachgedacht habe. Und in genau diesem Kontext ist The Last Duel tatsächlich interessant, eben weil es die Nuancen zwischen solchen Extremen wenigstens ein wenig anreißt.
Das ist banal, aber manchmal ist eben schon eine Banalität dann doch wieder bemerkenswert.