Ach, Supernatural. Du wunderbares, widersprüchliches Chaos. Eigentlich wusste ich, dass ich diesen Blogpost wohl schreiben würde, da war ich noch nicht einmal wirklich auf der Zielgeraden bei meinem Plan, die Serie nochmal von vorne zu schauen und jetzt endlich noch mal die Staffeln nachzuholen, die ich irgendwann nicht mehr zum Erscheinen geschaut habe. Und oh, boy, fühlt es sich überraschend einfach und doch kompliziert an, meine (zugegeben losen) Gedanken dazu zu ordnen.
Vampire, Werwölfe, Dämonen
Aber um zunächst einmal tatsächlich ganz am Anfang zu beginnen: Mich begleitet Supernatural schon seit meinen Teenagerjahren. Irgendwann rund um den Twilight-Boom habe ich so mehr oder weniger alles an Urban Fantasy-Romanen gelesen, das ich in die Finger bekam, und spätestens mit den dazugehörigen Verfilmungen zur selben Zeit genauso wenig vor ähnlichen Filmen und Serien haltgemacht. Vieles davon war nicht einmal unbedingt gut, sondern vor allem da. Es lief im Fernsehen oder war zumindest kurz nach der Erstausstrahlung auf den Websites der dazugehörigen Sender zum Streaming verfügbar und es war irgendwie in meinem Freundeskreis aktuell. Ich habe Vampire Diaries verschlungen (und sogar die eher mittelmäßigen Bücher dazu wenigstens teilweise gelesen), genauso wie die dazugehörige Spin-Off-Serie The Originals, und ich habe, natürlich, Supernatural geschaut.
Die Serie um die Brüder Sam und Dean Winchester, die ursprünglich Geister und andere Monster jagen, sich dann mehr und mehr auf Dämonen verlegen, weil eben die Apokalypse droht, und dabei nebenbei einem Engel aus Versehen die poetischen Worte “Hey, assbutt!” beibringen, hat schon deshalb einen etwas nostalgischen Platz in meinem Herzen, weil ich mit ihr viele lange DVD-Nächte mit Freundinnen verbinde. Die erste Staffel kenne ich bis heute sehr viel besser als ich zugeben sollte und auch alle Folgen danach bis inklusive zur fünften Staffel habe ich vermutlich viel zu oft gesehen. Ich habe wirklich viel Liebe für die Serie übrig und ich denke auch, dass sie ein paar wirklich sehr gute Folgen hat. “Monster Movie” (Staffel 4, Folge 5), eine Folge, die an alte Horrorfilme in schwarz-weiß angelehnt ist, zum Beispiel? Komplett alberne Idee und wunderbare Folge. Oder “The French Mistake” (Staffel 6, Folge 15), in der Sam und Dean in einem Paralleluniversum landen, in dem sie Schauspieler und Supernatural eine Serie ist? Eigentlich schon unhinged als Prämisse, aber so konsequent und ernst durchgezogen, dass die Folge nach wie vor sehr gut funktioniert. Ähnliches gilt im übrigen auch für die 200. Folge, in der Sam und Dean erleben, wie Schülerinnen einer Mädchenschule ein Musical basierend auf den drittklassigen Romanen über ihr Leben aufführen. Und ach, dabei habe ich noch gar nicht von “Changing Channels” (Staffel 5, Folge 8) und der Chaosstifterei des Erzengels Gabriel persönlich mitten in der Apokalypse angefangen. Oder von den Ghostfacers. Oder davon, dass der Tod persönlich in dieser Serie kanonisch auf Pizza und Fast Food steht. Und Chuck … ach, Chuck.
Familientherapie mit Gott und dem Teufel
Supernatural ist durch und durch chaotisch. Die Autor*innen wussten nie so wirklich mit ihren Frauenfiguren umzugehen und haben sie dann kurzerhand einfach in recht regelmäßigen Abständen dramatisch umgebracht oder wenigstens vergessen, irgendwann war auch auf der Handlungsebene einfach jeder Weltuntergang schonmal durchgekaut und natürlich war da auch noch das offensichtliche Problem, dass die Serie mal mit einer vage dudeigen Prämisse von einsamen Wölfen mit Vaterproblemen gestartet ist, die Fanbase dann aber so offensichtlich von einer sehr speziellen Marke stark weiblich geprägter tumblr-Fankultur der 2010er übernommen wurde, dass plötzlich die beiden mal mehr, mal weniger grummeligen Typen vor der Kamera über ihre Gefühle reden und gemeinsam mit einem sehr verwirrten Engel Luzifers Sohn für ihre etwas absurde Found Family adoptieren mussten.
Das klingt alles etwas wie eine Seifenoper und das ist es auch, aber das ist der Punkt: Supernatural war immer überraschend gut, wenn es sich nicht vor seinen soapigen Seiten zu verstecken versuchte. Eine der ganz eindeutig albernsten, aber zugleich besten Folgen in 15 Staffeln ist zum Beispiel definitiv “We Happy Few” (Staffel 11, Folge 22), in der Luzifer und Gott zum ersten Mal seit einer buchstäblichen Ewigkeit aufeinandertreffen und Luzifer sich wie ein bockiger Teenager in seinem Zimmer verbarrikadiert und sehr laut Musik hört bis Gott sich bei ihm entschuldigt. Nur mit dem Unterschied, dass er zu diesem Zeitpunkt im Körper des Engels Castiel steckt und das Zimmer, in dem er sich verbarrikadiert, nicht sein eigenes ist. Währenddessen hängt Gott übrigens mit einer Tasse mit der Aufschrift “World’s Greatest Dad” in der Küche der Winchesters rum und erklärt ihnen, sie sollen ihn doch bitte lieber Chuck nennen. Ein ganz normaler Dienstag bei Sam und Dean eben. (Und wer jetzt bei diesem Witz plötzlich an “Heat of the Moment” denken muss, hat, wie ich, Teile von Supernatural wirklich zu oft gesehen.)
Supernatural, Superwholock und … Destiel
In meiner Erinnerung war Anfang bis Mitte der 2010er das Supernatural-Fandom in meinem (nerdy, weiblichen) Umfeld wirklich überall und das nicht zuletzt, weil sich auf tumblr eine etwas unheilige Kombination aus Fans von Supernatural, Sherlock und Doctor Who unter der Selbstbezeichnung Superwholock zusammengeschlossen hatten. Wie Supernatural war auch Superwholock als eine Art Mega-Fandom immer etwas messy und eigentlich ohnehin nie ein Fandom, dem ich angehangen hätte. Es war nur eben auch einfach geradezu überpräsent sobald man auch nur die Nase in tumblr gestreckt hat. (Und als internetaffiner Teenager habe ich das natürlich mehr als genug.) Rückblickend war es irgendwo auch ein (vermutlich frühes) Paradebeispiel für eine sehr spezielle Art von Anspruchshaltung, die für mich immer nur vor dem Hintergrund einer sehr speziellen und für tumblr typischen Internetkultur Sinn ergibt, in der im Zweifelsfall alles gequeert und dann mit eiserner Sturheit zum Canon erhoben wurde – oder es wenigstens versucht wurde. Und damit landen wir bei Destiel.
Wahrscheinlich sagt es ziemlich viel über meine Internetsozialisation aus, dass ich das Gefühl habe, das erwähnen zu müssen, aber: Im Kern habe ich eigentlich keine große Meinung zu Destiel, d.h. also der Idee, dass Dean und der Engel Castiel in Supernatural ein Paar waren oder hätten sein können. Ich habe diese Interpretation selbst immer nicht wirklich im Material gesehen (und tue es auch nach wie vor nicht oder nur sehr bedingt), aber die Art und Weise wie Fandoms z.B. mit einer Serie umgehen muss nichts mit meiner eigenen Lesart zu tun haben. Trotzdem finde ich Destiel in zwei Punkten interessant: Erstens, in Bezug auf eine Art von leicht übergriffigem Fandom, das mich fasziniert, weil ich es einerseits nachvollziehen kann und andererseits nun einmal noch immer übergriffig finde, und zweitens, weil Supernatural so offensichtlich mit diesem Fandom und Destiel als Idee gerungen hat, dass die Serie im Finale “Bury your Gays” noch einmal auf ein ganz eigenes Level gehoben hat.
Ich ziehe dabei auch deshalb die Verbindung zwischen Superwholock, tumblr und Destiel, weil Destiel mit der Art, wie es zumindest halb tatsächlich Teil von Supernatural wurde, recht offensichtlich eine direkte Reaktion auf ein Fandom ist, dem die Serie zwar einerseits 15 Staffeln zu verdanken hat, das aber gleichzeitig … nun, häufig recht klare Ansichten hatte. Supernatural war damit nie allein, erst recht nicht mit gequeerten Lesarten von Beziehungen zwischen zwei in einer Serie in der Regel als hetero deklarierten Männern. Daran ist außerdem grundsätzlich einmal nichts verwerflich, worum es mir hier eigentlich geht, ist, dass Destiel nun einmal gerade auf tumblr und in Fanfictions so beliebt war, dass es nun einmal schwierig war, seine Fans zu ignorieren. Dahinter steht auch eine Serienlandschaft, die zu dem Zeitpunkt allgemein wenig queere Repräsentation on screen gezeigt hat, was dann wiederum auch ein wenig erklärt, warum die Sehnsucht nach kanonisch queeren Figuren und gleichgeschlechtlichen Paaren in so einigen Fandoms groß war (und ist).
Ein Chaos von einem Finale und ein ebenso chaotisches Fandom
Supernatural als Serie hatte wiederum immer ein eher … widersprüchliches Verhältnis zur Popularität von Destiel im Fandom. Dadurch, dass es in der Welt von Supernatural so oder so eine Romanreihe gab, die das Leben von Sam und Dean nacherzählte, hat die Serie mehrfach auch Fandom thematisiert und dabei mal mehr, mal weniger deutlich auf ihre eigenen Fans verwiesen. Sei es über das überdrehte Fangirl Becky oder eben über ein Musical, das Fans der Supernatural-Bücher in der Serie mit einem Cast, der nur aus Teenagermädchen besteht, in der 200. Folge aufführen. Das Muster dabei ist dasselbe: Jedes Mal, wenn angedeutet wird, dass Fans oder irgendwer sonst Sam oder Dean in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung sehen könnten, reagieren die beiden – und natürlich besonders Dean – irritiert und machen irgendwie deutlich, wie absurd diese Idee ist.
Nur Destiel ist eben trotzdem nicht verschwunden und dass Sam, Dean und Castiel sich in den letzten paar Staffeln mehr oder weniger das Sorgerecht für Luzifers Sohn Jack teilen, hat dabei natürlich auch sicher nicht geholfen. Ein Serienfinale, das so gar nicht darauf reagiert, wäre wahrscheinlich auf seine eigene Art als enttäuschend aufgefasst worden, also … landen wir bei Supernaturals Finale. Nachdem Sam und Dean schon seit so etwa 10 Staffeln den Tod persönlich immer wieder zur Weißglut getrieben haben, ist sie Dean und Castiel eng auf den Fersen, um beide zu töten. Castiel wiederum opfert sich daraufhin in einer dramatischen Szene, indem er Dean gesteht, dass er ihn liebt und so die Leere, ein anderes, uraltes und gottähnliches Wesen beschwört, das sowohl mit ihm als auch mit dem Tod noch eine Rechnung offen hat und deshalb beide verschlingt und so tötet. Dean reagiert darauf mit nicht viel und auch nach seinem Opfer samt Liebesgeständnis, das sich wirklich nur noch mit einem sehr eisernen Willen als platonisch statt romantisch lesen lässt, scheint Castiel geradezu vergessen. “Bury your Gays” ist hier ehrlich gesagt gar kein Ausdruck; Supernatural hat das liebste queere Ship seines eigenen Fandoms nicht einfach begraben, sondern so etwa auf dem Grund des Ozeans verbuddelt und dann darauf gehofft, dass damit endlich Ruhe wäre. Der Rest des Finales ist auch eher schwach, so wie die meisten späteren Staffeln der Serie eher schwach waren, aber Castiel? Das war ein Ende, das selbst dann wehtut, anzusehen, wenn man sonst eigentlich keine starke Meinung zu Cas als Figur oder Destiel als Ship hatte.
Gleichzeitig – und das ist das andere, das ich an Supernatural rückblickend interessant finde – lässt sich daraus auch eine gewisse Hilflosigkeit in Bezug auf die Dynamiken des eigenen Fandoms herauslesen. Die Serie hat immer Schwierigkeiten gehabt, auf die Sehnsucht nach Destiel sinnvoll zu reagieren – wahrscheinlich auch, weil diese Lesart vermutlich ursprünglich nie beabsichtigt war, aber dann eben trotzdem im Raum stand. Und die Mischung aus tumblr- und Fanfiction-Fankultur, der Destiel entstammt, ist eben nicht immer besonders gut darin, ein Nein zu akzeptieren. Wie geht man damit um? Ignorieren hat nicht funktioniert, aber wirklich nachgeben konnte oder wollte man bei Supernatural wohl auch nicht. Und zack, fertig, ist ein Fandom-Drama.
Und so viel sich hier jetzt auch über Fandom und das queeren von Figuren sagen ließe: Vieles an Fankultur und Supernatural lässt sich auch damit (teilweise) erklären, dass sie so viele heterosexuelle Frauen abgeholt hat. Ein bisschen düsterer als die anderen Urban Fantasy-Serien für eine jüngere Zielgruppe, die beiden Helden ein bisschen älter und die Probleme ein bisschen größer als Abschlussbälle oder den Vampir-Freund vor den Eltern zu verstecken. Vor allem: Sam und Dean, die beiden harte Jäger-Typen mit einem Leben voller Gewalt und Tod und mit einem ganzen Berg an Familienproblemen im Gepäck, reden über ihre Gefühle. (Jedenfalls irgendwie.) Rückblickend ist es da eigentlich eher überraschend, dass die Serie nicht von Anfang an darauf gesetzt hat, sich explizit an hetero Frauen zu richten.
Fandom, Fanfictions und Gott
Aber bevor ich zu sehr abschweife: Vielleicht liegt das auch nur an meiner eigenen Biografie und alles an diesem Blogpost sind und bleiben mehr lose Gedanken, aber es ist trotzdem ganz interessant, dass Supernaturals merkwürdiges Verhältnis zu seinem eigenen, sehr von Internet und tumblr geprägten Fandom zeitlich mehr oder weniger zu der Zeit aktuell war, in die auch die großen patriarchalen Backlashes in ursprünglich männlich dominierten Fankulturen wie Gaming, Comics oder Fantastik fallen. Beide sind nur schwer vergleichbar, weil das eine allerhöchstens nur ein wenig meinungsstark war, während das andere einfach waschechte Hasskampagnen im Internet hervorgebracht haben. Aber auch die Marke von tumblr-getriebener Fankultur wie bei Supernatural steht auch ein wenig für eine Anspruchshaltung, die sich auf sehr viel aggressivere Art und Weise bis heute regelmäßig im Gaming äußert, aber vielleicht sehr viel mehr des Erbes der Serie ausmacht als jedes Serienfinale.
Irgendwie passt es eben doch auf mehrere Arten, dass in Supernatural Gott buchstäblich ein arroganter (Fanfiction-)Autor ist, dem seine Macht so sehr zu Kopf steigt, dass er am Schluss von den Winchesters samt gewählter Familie bekämpft und besiegt werden muss. Und ehrlich gesagt bleibt das vielleicht der cleverste Zug der Handlung der Serie – zumindest der letzten paar Staffeln. (Denn nichts kann Gabriel während der Apokalypse toppen.)